Im Gespräch mit einem anthroposophischen Kinderarzt
Für Eltern, deren Kind krank im Bett liegt, ist ein sicherer Umgang mit Arzneimitteln besonders wichtig. Der Kinderarzt Dr. Alfred Längler erklärt die die Rolle der Anthroposophischen Medizin und spricht über den Unterschied zu schulmedizinischen Arzneimitteln, gibt Tipps zur Selbstmedikation und bewährten Hausmitteln. Gastbeitrag von Prof. Dr. med. Alfred Längler
Woher wissen Eltern, welche Arzneimittel für Kinder überhaupt geeignet sind?
Dr. Alfred Längler: Wenn ein Arzt einem Kind ein Arzneimittel verordnet, wird er darauf achten, dass es für das entsprechende Kind geeignet ist. Eltern sollten sich davor hüten, ein Medikament, welches sie für eine bestimmte Erkrankung für sich selbst verordnet bekommen haben, ohne Rücksprache mit einem Arzt bei ähnlichen Beschwerden ihrem Kind zu geben - schließlich sind Kinder keine Erwachsenen. Der Körper eines Kindes unterscheidet sich stark von dem eines erwachsenen Menschen. Ihr Stoffwechsel arbeitet anders, ihre Organe und Organfunktionen sind unterschiedlich ausgeprägt. Nicht verschreibungspflichtige Medikamente können direkt in der Apotheke gekauft werden. Hier sollten die Eltern den Apotheker immer darauf hinweisen, dass sie ein Medikament für ein Kind benötigen. Im Zweifelsfall enthält auch der Beipackzettel die entsprechenden Informationen.
Was ist der Unterschied zwischen schulmedizinischen und anthroposophischen Arzneimitteln?
Dr. Alfred Längler: Schulmedizinische Arzneimittel wirken in der Regel so, dass sie gegen etwas ausgerichtet sind. Sie blockieren zum Beispiel einen Rezeptor und hemmen dadurch einen Stoffwechselvorgang. Damit soll die Krankheit „abgestellt“ werden. Anthroposophische Arzneimittel sind darauf ausgerichtet, den Organismus dabei zu unterstützen, sich selbst zu helfen und seinen eigenen Weg aus der Erkrankung zu finden.
Welche Hausmittel haben sich bewährt?
Dr. Alfred Längler: Es gibt eine Vielzahl bewährter Hausmittel, die auch heute noch bei kranken Kindern zur Anwendung kommen. Dies fängt mit Wadenwickeln bei Fieber an, geht über Quarkwickel bei eitrigen Abszessen bis hin zu Eichenrindentee-Umschlägen bei schwerer Windeldermatitis. Bewährt haben sich auch Teezubereitungen oder Einreibungen. Diese Hausmittel empfehle ich, je nach Schwere der Erkrankung auch ergänzend zu einer medikamentösen Therapie und in Absprache mit dem behandelnden Arzt.
Wo liegen die Grenzen der Selbstmedikation?
Dr. Alfred Längler: Immer dann, wenn die Eltern ein ungutes Gefühl haben, sollten sie mit ihrem Kind einen Arzt aufsuchen. Aber auch dann, wenn zum Beispiel Fieber länger als drei Tage anhält oder ein Kind zunehmend schlapper oder gar apathisch wird.
Manchmal haben Kinder mehrere verschiedene Symptome – kann man ihnen dann verschiedene homöopathische Arzneimittel gleichzeitig geben?
Dr. Alfred Längler: Es gibt ja eine Reihe von homöopathischen und anthroposophischen Medikamenten, die so konzipiert sind, dass sie schon von vornherein auf mehrere Symptome einer Erkrankung hin ausgerichtet sind – etwa bei einem grippalen Infekt mit Fieber, Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit. Es kann aber auch sinnvoll und notwendig sein, mehrere Mittel gleichzeitig zu geben. Allerdings sollte die Gesamtsituation noch übersichtlich bleiben, und nur selten sind mehr als drei oder vier Mittel sinnvoll oder hilfreich.
Was, wenn Kinder Arzneimittel verweigern?
Dr. Alfred Längler: Wenn es sich um ein vom Arzt verordnetes Arzneimittel handelt, sollte man Rücksprache halten. Eventuell gibt es eine andere Darreichungsform oder ein alternatives Präparat, welches vom Kind besser angenommen wird. Wenn es sich um Medikamente der Selbstmedikation handelt, sollte man überprüfen, ob es nicht auch andere, für das Kind akzeptablere nicht-medikamentöse hilfreiche Hausmittel gibt.
Globuli haben meist keine Indikation. Woher weiß ich, wie ich sie einsetzen kann?
Dr. Alfred Längler:In der Regel werden sie von einem Arzt für eine bestimmte Erkrankung verordnet. Im Rahmen der Selbstmedikation kann man sich in der Apotheke über die entsprechenden Einsatzgebiete beraten lassen.
Ist es für Kinder gefährlich, wenn sie aus Versehen eine größere Menge an Globuli auf einmal zu sich nehmen?
Dr. Alfred Längler: Diese Frage kann man nicht allgemein mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Es kommt darauf an, wie viele Globuli versehentlich eingenommen wurden. Ebenso müssen Wirkstoff und Potenz berücksichtigt werden. Ich würde den Eltern in jedem Fall raten, das Kind zu beobachten und im Zweifelsfall Rücksprache mit dem Kinderarzt oder einer Giftinformationszentrale zu halten.Prof. Dr. med. Alfred Längler ist Professor für integrative Kinder- und Jugendmedizin an der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke, Ärztlicher Direktor des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt in der Erforschung integrativer Therapiekonzepte bei Kindern. Er ist (Mit-)Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und diverser Fachbücher.