Unsichtbare Reiche überall
Das Mikrobiom ist in und um uns
Auf der Haut eines Menschen leben weitaus mehr Mikroorganismen als es Menschen auf der Erde gibt: circa 100 Milliarden. Unsere Darmflora schafft es sogar auf 1000 Milliarden, also 1 Billion winzig kleiner Lebewesen, die dort essenziell für unsere Gesundheit verantwortlich sind. Auch alle unsere Schleimhäute sind von den für unser Auge unsichtbaren Organismen besiedelt.
Doch auch in der Welt um uns herum sind sie ein natürlicher, wichtiger Bestandteil – im Wasser, in der Luft, in und auf anderen Organismen oder im Boden. In gesundem Boden lebt ein wahrer Schatz an Mikroorganismen: Nur 1 Gramm Erdboden enthält über 1 Milliarde Zellen, darunter mehr als 100.000 mikrobielle Arten.
Was genau bedeuten Mikrobiom und Mikrobiota?
„Mikro“ und „Bio“ kommen aus dem Griechischen und bedeuten „klein“ und „Leben“. Unter den Begriffen Mikrobiom, Mikrobiota und Mikroflora versteht man alle Mikroben, die ein vielzelliges Lebewesen besiedeln, dazu gehören Bakterien, Pilze, Viren und Archaeen (Ur-Bakterien).
In der Fachliteratur gibt es einen feinen Unterschied: Mikrobiota umfasst alle Mikroorganismen eines Lebewesens. Und Mikrobiom sind alle Gene dieser Mikroorganismen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das jedoch nicht unterschieden.
Warum hat das Mikrobiom in letzter Zeit so an Bedeutung gewonnen?
Von der Hautgesundheit und der Verdauung über unser Immunsystem und Allergien bis hin zu Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Adipositas oder psychischen Erkrankungen: Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich das Wissen über unser Mikrobiom und über dessen Wechselwirkung mit unserem Körper rasant vergrößert. Ein Grund dafür sind die inzwischen modernen und kostengünstigen genanalytischen Nachweisverfahren, die es ermöglichen, dass man auch bisher noch nicht kultivierbare Mikroorganismen nachweisen kann. Je mehr wir über das Mikrobiom und dessen Wechselwirkung mit unserem Organismus wissen, desto klarer wird auch dessen Bedeutung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.
Ein kurzer Abriss zur Erdgeschichte:
- Vor 4,5 Mrd. Jahren: Die Erde formt sich aus Brocken, sie ist glühend heiß.
- Vor 4,2 Mrd. Jahren: Wasser sammelt sich in Meeren.
- Vor 4 Mrd. Jahren: Erste lebende Zellen bilden sich, die Mikroben. Bakterien sind ihre Nachfahren.
- Vor 2,7 Mrd. Jahren: Mikroben entwickeln die Photosynthese.
- Vor 1,2 Mrd. Jahren: Mehrzellige Wesen entstehen, die Urahnen, von Pflanzen und Tieren.
- Vor 460 Mio. Jahren: Einige Pflanzen und Tiere können im Trockenen leben und bevölkern das Land.
- Vor 230 Mio. Jahren: Aus Echsen entwickeln sich die Dinosaurier.
- Vor 49 Mio. Jahren: Die Entwicklung vom Primaten zum Menschen beginnt.
Aus welchen Bakterien besteht unser Mikrobiom?
Das menschliche Mikrobiom besteht nicht nur aus Bakterien, sondern schließt auch Pilze, Viren und sogar Archaeen ein.
Unser Mikrobiom ist so individuell wie wir selbst. Je nach Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand und verschiedenen Umweltfaktoren ist die Zusammensetzung sehr unterschiedlich. Auch innerhalb der verschiedenen Lebensräume wie dem Darm oder auf der Haut existieren nochmals Bereiche mit unterschiedlichen Bedingungen, z.B. trockene, feuchte oder fettige Hautbereiche. Daher unterscheidet sich beispielsweise das Mikrobiom auf dem Schienbein (trockene Haut), Achsel (feuchtes Milieu) oder Stirn (oft eher fettig) entsprechend stark in Masse, Zusammensetzung und Funktion. Trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten. Allgemein am häufigsten vertreten sind die vier Bakteriengruppen Actinobacteria, Proteobacteria, Firmicutes und Bacteroidetes. Charakteristische Leitkeime auf der Haut sind z.B. Corynebacterium, Propionibacterium und verschiedene Staphylokokken; im Darm z.B. Enterobakterien wie Escherichia coli oder Enterobacter sp. In der Vaginalflora sind sogenannte Döderlein-Bakterien (Milchsäurebakterien) dominant. Hinzu kommen noch sehr viele andere Bakterienarten, die im Verhältnis zueinander stark variieren können. Alleine im menschlichen Darm wurden bereits bis zu 36.000 verschiedene Bakterienarten identifiziert. Die Systeme sind sehr komplex.
Was schadet unserem Mikrobiom?
In gesundem Zustand ist das Hautmikrobiom nicht leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, da es sich in der Regel schnell erholt. Ist die Mikroflora jedoch gestört, kommt es zu einem Ungleichwicht und pathogene, also krankmachende Mikroorganismen können sich vermehren und zu Problemen führen. Das kann zum Beispiel passieren, wenn man die Haut oder auch die Kopfhaut zu oft mit aggressiven Tensiden wäscht oder abschrubbt. Oder wenn wir Antibiotika einnehmen müssen, die nicht nur die Krankheitserreger, sondern auch die guten Bakterien in uns bekämpfen.
Was beeinflusst unser Mikrobiom außerdem?
Unser Immunsystem hat ebenfalls einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Zusammensetzung unseres Mikrobioms. Während der frühkindlichen Prägephase lernt unser Immunsystem die Mikroorganismen in unserer natürlichen Umgebung kennen. Es kann dann harmlose von pathogenen Mikroorganismen unterscheiden. Bakterien, die wir während dieser Prägephase nicht kennen gelernt haben, bekämpft unser Immunsystem später möglicherweise, selbst wenn es sich dabei nicht um pathogene Bakterien handelt. Das wiederum kann zu bestimmten Krankheitssymptomen und Unverträglichkeiten der Haut oder des Verdauungstrakts führen. Aus der Allergieforschung ist die Hygienehypothese bekannt. Sie besagt, dass das Aufwachsen in einer keimarmen Umgebung es wahrscheinlicher macht, eine Allergie zu entwickeln. Dieser Ansatz lässt sich auch auf die gesunde Entwicklung unseres Immunsystems im Zusammenhang mit unserem Mikrobiom übertragen.
„«Diversität ist großartig, auch in Bezug auf das Mikrobiom.»”
− Dr. Johann Röhrl, Senior Manager, Präklinische Forschung
Hautmikrobiom und Darmflora – wie unterscheiden sich diese Bereiche und wie hängen sie miteinander zusammen?
Die Haut und der Darm stellen sehr unterschiedliche Ökosysteme dar. Während die Haut durch äußere Umweltfaktoren geprägt ist, die die Mikroorganismen mehr oder weniger stark beeinträchtigen können, wird die Mikroflora des Darms vor allem durch die individuelle Ernährung beeinflusst. Allerdings scheinen beide Ökosysteme nach aktuellem Kenntnisstand über das Immunsystem miteinander verbunden zu sein. Bei Kindern konnte man eine reduzierte Diversität des Darm-Mikrobioms damit in Verbindung bringen, ob sie ein erhöhtes Risiko haben, an Neurodermitis zu erkranken. Möglicherweise spielt auch hier die frühe mikrobielle Prägung des Immunsystems eine wichtige Rolle.
Die Einnahme z.B. von Probiotika konnte in ersten Studien bereits eine positive Wirkung auf die Symptomatik von Psoriasis (Schuppenflechte) oder atopischer Dermatitis aufzeigen. Das verdeutlicht, dass die Ernährung auch einen Einfluss auf die Hautgesundheit haben kann, welche wiederum auch einen Einfluss auf das angesiedelte Mikrobiom hat.
Die Mikrobiom-Forschung steht noch ganz am Anfang. Es ist sehr spannend, hier tiefer zu gehen und neue Zusammenhänge zu erkennen.
Wie wird das Mikrobiom bei Weleda erforscht?
Als Hersteller von Naturkosmetik und anthroposophischen Arzneimitteln legt Weleda einen Forschungsschwerpunkt u.a. auf die Mikroflora der Haut und des Verdauungstrakts.
Wir untersuchen z.B. an freiwilligen Probanden im Rahmen von wissenschaftlichen Studien, wie das Hautmikrobiom auf die Anwendung unserer Kosmetikprodukte reagiert. Wir haben noch nicht alle Produkte getestet, aber wir konnten bereits feststellen, dass eines unserer ältesten und beliebtesten Naturkosmetikprodukt, die Weleda Skin Food, mikrobiom-freundlich ist.
Aber wir beschränken uns nicht nur auf den Menschen, sondern gehen weiter und wollen auch die mikrobielle Diversität in unserer Umwelt, v.a. im Boden betrachten. Die biodynamisch bewirtschafteten Böden, auf denen unsere Heilpflanzen angebaut werden, sind ein interessantes und wichtiges Forschungsgebiet. Bodenproben aus unserer biodynamischen Landwirtschaft werden ebenfalls hinsichtlich ihrer mikrobiellen Diversität untersucht.
Das Ergebnis: Böden mit biodynamischer Landwirtschaft weisen gegenüber konventionell bewirtschafteten Böden eine um ca. 50% höhere mikrobielle Biomasse auf und eine signifikant höhere mikrobielle Diversität auf. Das hat zur Folge, dass abgestorbene Pflanzenmaterialien besser und effektiver wieder in Nährstoffe umgewandelt werden können.
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Welche Hautpflege kann dem Mikrobiom schaden?
Es gibt verschiedene negative Einflussfaktoren von Hautpflegeprodukten. Schon ein zu hoher, also alkalischer pH-Wert kann die natürliche, leicht saure, Schutzschicht der Haut und damit auch deren Mikroflora aus dem Gleichgewicht bringen. Aber auch die Verwendung von Konservierungsstoffen, Emulgatoren und aggressiven Seifen können die Mikroflora schädigen. Allerdings kann man viele Inhaltsstoffe nicht einfach in gut oder schlecht einteilen, da es natürlich auch auf die enthaltenen Mengen und Kombinationen ankommt. Aus diesem Grund muss man jede Rezeptur individuell hinsichtlich Mikrobiom-freundlichkeit untersuchen.
Waschprodukte haben darüber hinaus die Eigenschaft nicht nur Schmutz, sondern auch den natürlichen Schutzfilm der Haut und auch eine signifikante Menge der auf der Haut vorhandenen Mikroorganismen zu entfernen. In der Regel erholt sich die Mikroflora relativ schnell. Je gravierender der antibakterielle Effekt eines Produkts, desto länger dauert in der Regel die Erholung. Daher sollte man zum Beispiel antibakterielle Seifen unbedingt vermeiden. Diese sind nicht zur regelmäßigen Körperpflege geeignet, da sie die Mikroflora nachhaltig schädigen können.
Woran erkenne ich, dass das Mikrobiom auf meiner Haut aus dem Gleichgewicht ist?
Die natürliche Mikroflora lebt in Symbiose mit der Haut. Das heißt, die Haut ernährt die Mikroflora und bietet ihr einen Lebensraum. Die Mikroflora versorgt wiederum die Haut mit wichtigen Nähr- und Pflegestoffen und stellt zusätzlich eine wichtige Barriere zum Schutz vor Fehlbesiedelung der Haut durch Pathogene dar. Ist die Mikroflora aus dem Gleichgewicht, kann das auch die Hautgesundheit beeinträchtigen. Es können zum Beispiel Über- bzw. Fehlbesiedelungen mit pathogenen Keimen wie Staphylococcus aureus oder bestimmten pathogenen Stämmen von Propionibacterium acnes auftreten, die Hauterkrankungen auslösen oder verstärken können. In der Regel verlaufen Disbalancen jedoch eher harmloser. Sie können z.B. dazu führen, dass die Haut gegenüber äußeren Umwelteinflüssen sensibler reagiert. Auch unangenehmer Körpergeruch kann ein Indiz für eine aus dem Gleichgewicht geratene Mikroflora sein.
Das Wissen um die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Mikroflora und Hautgesundheit ist aber immer noch relativ begrenzt, daher wird auch in Zukunft die Forschung noch wichtige Beiträge zum Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge leisten.
Wie verhält sich das Mikrobiom bei trockener Haut?
Trockene Haut bietet der Mikroflora sozusagen einen kargen Lebensraum, etwa wie eine Wüste, in der es zu wenig Wasser gibt. Die mikrobielle Vielfalt ist hier messbar geringer als in feuchten oder fettigen Hautarealen. Trockene Haut ist nicht nur anfälliger für Schädigungen, sondern auch weniger gut geschützt vor mikrobieller Fehlbesiedelung. Eine gut mit Nährstoffen und Feuchtigkeit versorgte Haut ist ein besserer Lebensraum für eine diverse Mikroflora.
Weleda Skin Food pflegt trockene und raue Haut mit Auszügen aus Stiefmütterchen, Kamillen- und Calendulablüten. Die reichhaltige Pflege gibt es seit 100 Jahren. Ihre Rezeptur ist nachweislich mikrobiom-freundlich.
Kann ich mein Mikrobiom verbessern oder aufbauen?
Die Mikroflora ist so individuell wie wir selbst. Daher hängt die Gesunderhaltung des Mikrobioms sehr von unseren individuellen Lebensumständen ab. Wenn wir gesund sind, muss das Mikrobiom nicht verbessert oder aufgebaut werden. Ein gesunder Lebensstil und eine maßvolle Körperhygiene sind gute Voraussetzungen für ein ausgeglichenes Mikrobiom. Da unsere Haut aber häufiger schädlichen Umweltfaktoren ausgesetzt ist, kann man sie mit Hilfe geeigneter Hautpflegeprodukte unterstützen. Eine gesunde Haut beherbergt in der Regel auch ein gesundes Mikrobiom. Zusätzlich kann man aber gezielt die Mikroflora mit mikrobiom-freundlichen Hautpflegeprodukten erhalten oder sogar fördern.
Welche Kriterien muss Hautpflege erfüllen, um mikrobiom-freundlich zu sein?
Gute Hautpflege unterstützt unseren unsichtbaren Schutzschild aus natürlichen Bakterien. Sie erhält das leicht saure Milieu der Haut und beeinträchtigt die Diversität der Hautflora nicht. Die Verwendung von mikrobiom-freundlichen oder sogar präbiotischen Inhaltsstoffen kann ein gesundes Mikrobiom unterstützen. Weleda Naturkosmetik kann zur Gesunderhaltung der Haut beitragen und dadurch ein gesundes Mikrobiom begünstigen.








